Hölle in den Zeiten der Junta*

Joana Breidenbach
10.05.2008

Die Nachrichten über den Zyklon Nargis in Birma lassen einen nicht mehr schlafen. Sie machen traurig und extrem wütend. Vor einem Monat erst bin ich mit meinen Kindern und Freunden durch Birma gereist, z.T auch in den jetzt betroffenen Gebieten und Lilian und Vico sagen diese Tage immer wieder: “Da waren wir doch erst gerade” und “wenn wir ein paar Wochen später gefahren wären …”

Die Zahl der befürchteten Opfer ist mittlerweile auf 100.000 gestiegen - und selbst jetzt - fast eine Woche nachdem der Wirbelsturm entlang des Irrawaddy-Deltas wütete, werden die Hilfsangebote der internationalen Gemeinschaft von der arroganten und machtbesessenen birmesischen Militärjunta massiv behindert. Helfer warten vergebens auf ihre Visa, Flügzeuge mit Hilfsgütern dürfen in Rangun nicht landen. Ein Sprecher des Welternährungsprogramms, bezeichnete die Visa-Verweigerung als “beispiellos” in der Geschichte der Katastrophenhilfe.

Das Land selbst ist von den unzähligen herumliegenden, verwesenden Toten und der nun drohenden Seuchengefahr und Hungersnot völlig überfordert. 1.5 Millionen Menschen brauchen Nahrungsmittel, Trinkwasser, Decken, Zelte und Medizin. Alleine kann Birma, eines der ärmsten Länder der Region, eine solche Krise nicht meistern. Zumal die Militärs, die letzten September, als es galt, friedlich protestierende Mönche zu erschießen, auf den Straßen des Landes omnipäsent waren, plötzlich nirgends zu sehen sind.

Das paranoide nur am eigenen Machterhalt interessierte Regime der Generäle hat Angst vor amerikanischen Militärflugzeugen auf birmanischem Boden - sie befürchten eine potentielle Invasion der USA und so erhielten gestern auch nur wenige Flugzeuge der UN und des Roten Kreuzes eine Landeerlaubnis für Rangun. Nun hört man, dass Frankreich und die USA den UN Sicherheitsrat einschalten wollen, um die Birmesen zu zwingen Helfer ins Land zu lassen.

Warnung ignoriert

Zu der Empörung über die Junta trägt bei, dass Indien Birma 48 Stunden im Voraus vor dem Zyklon gewarnt hat. Wenn die Regierung diese Warnung schnell aufgegriffen und verbreitet hätte, hätten unzählige Leben gerettet werden können.

Aber Than Shwe nimmt wahrscheinlich den Rat seiner Wahrsager ernster als den eines meteorologischen Instituts. Der birmesische Staatschef – wie auch schon seine Vorgänger - ist bekannt dafür, wesentliche politische Entscheidungen dem Übernatürlichen zu überlassen. So ließ er 2005 den Sitz der Regierung von Rangun ins 300 km entfernte, neugegründete Naypyidaw verlegen, nachdem ein Wahrsager blutige Unruhen für Rangun vorausgesagt hatte. Auch das heutige Referendum wird nicht verschoben – weil ein Astrologe das Datum als besonders glückbringend errechnet hat.

Wo landen die Hilfsgüter?

Frustrierend, insbesondere für Spendenwillige, ist auch die Frage, ob Hilfe im Land überhaupt effektiv verteilt wird. Bislang hört man, dass die Ladungen der Flugzeuge, die in Rangun landen durften, dort festgehalten werden. So hat die Junta gestern fast 40 Tonnen Nahrungsmittel des WFP in Rangun beschlagnahmt. Das Militär verweigert die Einreise ausländischer Helfer, mit der Begründung, es wolle und könne die Hilfslieferungen selbst verteilen.

Das mag glauben wer will und dementsprechend zögerlich laufen die Spenden in Deutschland auch an. Hatten Deutsche nach der Tsunami 2006 innerhalb kürzester Zeit 670 Millionen Euro für die Nothilfe und den Wiederaufbau gespendet, so sind, laut Aktion Deutschland Hilft, dem Dachverband von 18 Hilfswerken, bislang erst mehrere Zehntausend Euro zusammengekommen.

Die Organisationen, die schon mit Mitarbeitern im Land etabliert sind, haben in dieser Situation einen großen Vorteil. Care International, die sich seit 14 Jahren im Land engagieren, scheint eine der ersten zu sein, die Soforthilfe leisten können, da sie schon 500 Mitarbeiter im Land haben.

Wo sind die Nachbarn?

Jeder der schon mal in Birma gewesen ist, wird das große wirtschaftliche Engagement der Nachbarn, wie Thailand, Indien und China, aufgefallen sein; sie fördern Öl und Gas, bauen Supermarktketten auf und investieren in die touristische Infrastruktur.

Aber wo ist die thailändische und chinesische Katastrophenhilfe? Gerade China profiliert sich seit einigen Jahren als neuer Entwicklungspolitischer Player weltweit. Was läge in dieser Situation näher – zu einer Zeit als China im Vorfeld der Olympischen Spiele so massiv unter Beschuss ist – als sich als Wohltäter zu präsentieren, der dort effektiv Hilfe leisten kann, wo anderen der Zugang verwehrt wird?

*Sepia Mutiny