Warum müssen Klos sexy sein?

Joana Breidenbach
23.05.2008

Jack Sim, Joana Breidenbach und Werner Aisslinger mit Designstudenten beim WTO-betterplace Workshop

Die letzten drei Tage hatten wir Besuch aus Singapur. Jack Sim, Gründer der World Toilet Organisation war nach Berlin gekommen, um zwei Workshops zu bestreiten.

Nachdem ich im Februar die WTO bei einem Besuch in Singapur knapp verpasst hatte, waren wir per email in Kontakt geblieben. Deepa, Jacks Mitarbeiterin hatte zwei gute Projekte auf betterplace veröffentlicht, von dem uns besonders das Projekt Toiletten für 2.6 Milliarden Menschen begeisterte und anspornte es besonders zu unterstützen.

Das Problem
2.6 Milliarden Menschen leben ohne Toiletten. Als Tabu-Thema findet es jedoch nicht die nötige Beachtung. Massive soziale und gesundheitliche Probleme sind die Folge: Mädchen gehen nicht nur Schule, da sie dort keine Toiletten vorfinden, in tropischen Ländern stellen Frauen 24 Stunden bevor sie auf den Markt gehen, Essen und Trinken ein, um unterwegs nicht in unangenehme Situationen zu kommen. Zudem sterben jährlich mehr als 5 Millionen Menschen an Krankheiten, die auf unzureichende Sanitäranlagen zurückzuführen sind, während Flüsse und Grundwasser durch einfließende Fäkalien verseucht werden.

**Ein Markt für Toiletten
Da der Sanitärnotstand nicht über Spendengelder und die herkömmlichen Instrumentarien der Entwicklungshilfe gelöst werden kann, verfolgt die World Toilet Organisationen einen marktwirtschaftlichen Ansatz, d.h. sie betrachtet die 2.6 Milliarden toilettenlosen Menschen als potentielle Kunden. Bis vor kurzem wurden die Menschen am sogenannten „Ende der Wohlstandspyramide“ (Bottom of the Pyramid, d.h. Menschen, die zwischen 1-2 US$ am Tag verdienen) als Kunden ignoriert. Mittlerweile jedoch interessieren sich immer mehr Unternehmen, ebenso wie Hilfsorganisationen für diese Bevölkerungsgruppe, die zwar wenig individuelle Kaufkraft haben, durch ihre Masse aber als Marktsegment auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten von Interesse ist. **

Der WTO-Ansatz sieht die Produktion und den Vertrieb von erschwinglichen, anspruchsvoll designten öffentlichen Toiletten vor, die den Betreibern durch Außenwerbung und Nutzungsgebühren einen Verdienst einbringen. Durch eine geschickte Verbindung aus zentralen und dezentralen Produktions-, Vertriebs- und Unterhaltungsformen soll es möglich sein, sowohl lokale Besonderheiten und Standortvorteile mit einzubeziehen, als auch von globalem Knowhow und Massenproduktionsvorteilen zu profitieren.

Der Projekt-Inkubator
Unsere Idee war es die WTO mit dem Designer Werner Aisslinger und seinen Studenten an der Hochschule für Gestaltung zusammenzubringen, um preiswerte aber gut designte Toiletten zu gestalten. Zu dem Workshop kamen dann neben den 8 Studenten aus Karlsruhe auch noch eine Handvoll Studenten von Axel Kufus von der UdK, Berlin. Während der dreistündigen Orientierungssession mit Jack Sim erhielten die Studenten nicht nur einen grundlegenden Einblick in die vielen negativen Folgen des Sanitärnotstands, Jack erklärte auch, wieso Design so wichtig ist.

Warum müssen Klos sexy sein?
Denn Toiletten können für viele Arme keine Priorität haben und rationale Argumente für deren Erwerb und Nutzung laufen oft ins Leere. Deshalb ist Jacks Strategie Klos als Statussymbole zu vermarkten und den Armen zugleich mit Außenwerbung und Benutzergebühren die Möglichkeit geben, mit ihnen Geld zu verdienen.

Ich fand die Diskussion mit den Studenten extrem anregend und interessant. Sie diskutierten über reisende Toilettengussformen ebenso wie über religiöse und kulturelle Besonderheiten und Copyrightstrategien (die Klos sollen nach Jack share ware und nicht rechtlich geschützt sein). Um die Diskussion fortzuführen und die benötigten Produktdesigns zu konkretisieren trafen sich die Studenten am nächsten Tag nochmals mit Jack in Werners Studio.

Dort fand auch der abendliche Workshop mit Vertretern aus der Industrie (Daniel Wall, Wall AG), Entwicklungszusammenarbeit(Sören Rüd, gtz) und Politik (Dr. Uschi Eid) statt, bei dem Jack nochmals seine Vision erläuterte. Ullrich Krauss vom Zagreus Projekt hatte sich bereit erklärt den Abend kulinarisch zu begleiten und Lotta, Jakob, Philip, Vico und Amos von betterplace junior legten einen perfekten Service hin. Euch allen vielen Dank!

Der Kickoff ist getan, nun geht es darum, die vielen gesponnenen Fäden und Pläne weiterzuentwickeln. Jack, wieder in Singapur, füttert uns mit konkreteren Informationen zu möglichen Geschäftsmodellen für ein Toiletten-Ikea und sucht best practice Beispiele. Werner und betterpace bauen eine Kommunikations- und Arbeitsstruktur für die Designstudenten auf. Man hört Berichte über einen neuen Toiletten-Designpreis und erste interessierte Investoren für ein neues Toilettenbusiness für “die anderen 90%” haben sich gemeldet.