Wer ist online?

Joana Breidenbach
26.04.2008

Vor einiger Zeit veröffentlichte ich in diesem Blog eine Grafik, die eindrucksvoll darlegte, wer mit wem übers Internet verbunden ist. Nachdem sie sich die Graphik angeschaut hatte, meinte Renate aus unserem Team, vielleicht sollten wir unsere Arbeit so lange niederlegen, bis mehr Menschen auch in nicht-industrialisierten Ländern Internetzugang haben.

Man geht davon aus, dass mittlerweile 1.1 Milliarden Menschen weltweit online sind. Aber Internetzugang ist sehr ungleichmäßig verteilt: die so genannte digitale Kluft besteht zwischen Industrienationen und Entwicklungsländern, ebenso wie innerhalb einzelner Regionen und Staaten.Ganz Afrika südlich der Sahara hat weniger Internetverbindungen als Manhattan und während über die Hälfte aller Hongkonger Haushalte online sind, sind es in Nepal weniger als 0,25%. Selbst in einem Land wie den Vereinigten Staaten sind wesentlich weniger der Schwarzen und spanischsprachigen Amerikaner online als unter der weißen Bevölkerung.

Aber auch dort, wo das world wide web prinzipiell vorhanden ist, ist der Zugang erschwert; durch erhöhte Preise (oft durch Zölle oder Monopole der Telekommunikationsunternehmen), alte und langsame Elektrizitätsverbindungen oder regelmäßige Stromausfälle. Zudem schränken Analaphabetismus und unzureichende Informationen darüber, was man mit dem Internet alles machen kann, das Nutzungspotential ein. Immer wieder hören wir von unseren Projektverantwortlichen in Kamerun oder Uganda, wie schwierig es für sie ist effizient mit dem Computer zu arbeiten, wenn täglich Stromausfälle ihre Sitzungen unterbrechen oder Webseiten ewig zum laden brauchen (ich selbst kann dies insbesondere seit einem Aufenthalt in Äthiopien nachempfinden, wo es mitunter EINE ganze Stunde dauerte, bis sich die Hotmail Startseite aufgebaut hatte.

Zugleich bemühen sich unzählige Initiativen die digitale Kluft zu schließen: kommunale Internetzugänge sprießen in Bürgerzentren, Kirchen und Einkaufszentren aus dem Boden, Schulen werden mit Computern ausgestattet und in vielen Ländern – von Ghana über Vietnam bis Trinidad – Internetcafes boomen. Neue Technologien ermöglichen es immer mehr Menschen auf einen Internetzugang zuzugreifen. So hat die kalifornische Firma Meraki eine Software entwickelt, die es Durchschnittsinternetnutzern ermöglicht problemlos eigene Netzwerke zu etablieren und die Kosten auf viele verschiedene Nutzer zu verteilen.

So kommt es, dass Bewohner von Lehmhütten ins Internetcafe gehen um die aktuellste Wettervorhersage zu erfragen und ihre Erntezeiten darauf abzustimmen. Diese Initiativen, aber insbesondere auch die weltweite Expansion der Mobiltelephonie, die ein völlig neues Potential für Telefone-basierte Internetverbindungen eröffnet, lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass im Laufe der nächsten Dekade Internetnutzung in allen Teilen der Welt dramatisch anwachsen wird.

Realistischerweise kann eine Internetplattform wie betterplace jedoch nur eine relativ dünne Schicht gut ausgebildeter und unternehmerischer Menschen in den Ländern des Südens erreichen, eben solche, die über ausreichende Internetkenntnisse verfügen und sich für eine weltweite Zuhörerschaft verständlich auf Englisch (oder Deutsch) artikulieren können. In diesem Aspekt unterscheidet sich betterplace allerdings nicht grundsätzlich von konventionellen Entwicklungshilfeorganisationen: wie viele Studien zeigen, tendieren Entwicklungshelfer ebenfalls dazu mit denjenigen Menschen in einer Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, die ihnen am ähnlichsten sind. Mit Menschen eines annähernd vergleichbaren Bildungs- und Wirtschaftsniveaus lässt es sich schlichtweg einfacher kommunizieren.

Für viele Arme spielt das Internet schon heute eine extreme wichtige Rolle: sie gehen online um mit Freunden und Familienmitgliedern in Verbindung zu bleiben, die im Ausland leben und arbeiten, und auf deren Rücküberweisungen sie zum Überleben oft angewiesen sind. Über Websites, blogs and Chatrooms vernetzen sich Bürger miteinander können selbst in totalitären Staaten ihren Widerstand gegen die politische Elite vergleichsweise frei äußern. Ich bin davon überzeugt, dass eine Internetplattform, die die Interessen höchst unterschiedlicher Menschen miteinander abgleicht, immense Bedeutung erlangen kann. Über sie können Innovationen - an einem Ort entwickelt - einer breiten Menschenmasse zur Verfügung gestellt werden: von der medizinischen Behandlung von Flussblindheit bis zu rückenschonenden Wassercontainern. Einzelne Inititativen, die nach Lösungen für die gleichen Probleme suchen, können sich miteinander vernetzen – nicht nur solche aus dem Norden mit denen aus dem Süden, sondern ebenso innerhalb des Südens.